Kasachstan

Kasachstan 1000 667 Michael

In Kasachstan trennen sich unsere Wege. Das Motorgeräusch beunruhigt mich derart das ich mich entschließe zügig vorzufahren um Almaty schneller zu erreichen. Mich treibt die Hoffnung das Problem durch die gewonnen Zeit früher beheben zu können um die Reise vollumfänglich gemeinsam fortsetzen zu können. Diese Hoffnung stirbt nach 150km kurz nach Semipalatinsk. Ich bin sehr dankbar als mich Nurlan kurze Zeit später mit seinem Sprinter mit zu sich nach Hause nimmt. Besonders sein Sohn Raslan hat große Freude an meinem Unglück, ich hoffe er hält das Taschenmesser das er bekommen hat in Ehren. Am Abend nimmt mich dann Pfarrer Anton bei sich auf. Anton ist Russlanddeutscher und freut sich endlich wiedereinmal Deutsch sprechen zu können. Seine Kirche ist passenderweise dem heiligen Michael geweiht. Das Areal enthält neben der Kirche und Pfarrhaus auch eine Suppenküche, einen Sportplatz und dient zudem auch als Aufenthaltsbereich für die Dorfjugend. Anton hat dies alles mit viel Initative und Spendenhilfe aufgebaut. Am Ende erinnert mich Anton doch sehr an Don Camillo auch, wenn er den Vergleich mit dem Hinweis, dass er mit niemandem streitet ablehnt. Auch wenn ich nicht gläubig bin hilft sein Hinweis „Der Herrgott gibt uns nur was wir wirklich brauchen, was wir nicht wirklich brauchen wird er uns auch nicht geben“ mir sehr die weitere schwere Zeit zu überstehen.

Nurlan und Anton helfen mir dann Maxim, Roman und Sanja zu finden die mich und mein Motorrad auf ihren LKWs mitnehmen. Als Maxim mir erklärt er hätte am Hang geparkt weil sein Starter defekt sei schwant mir schon übles. Am selben Abend bleibt aber entgegen der Erwartung Sanjas DAF viermal liegen. Ich werde wieder und wieder vertröstet bis nach 2 Tagen klar ist das ich einen anderen LKW brauche. Wären mir Maxim und Roman nicht so sympatisch gewesen hätte ich Cates Rat befolgt und früher einen anderen LKW gesucht. Der Abschied von den drei ist sehr herzlich und den Einblick in den Alltag eines kirgisischen LKW Fahrers werde ich nie vergessen. Weiter geht es mit Viktor und seinem 30 Jahre alten Volvo.

Viktor fährt unglaublich lange und ich bin optimistisch mich von Cate noch verabschieden zu können vor sie in den Pamir fährt. Als Viktor hält um vor Almaty noch abzuladen beginnt einer der schlimmsten Tage der Reise. Der Kran kommt nicht pünktlich, Viktor und ich sind gefrustet Cate wird weg sein wenn ich ankomme. Die Natur tröstet mich denke ich mir als ich schwarze Hummeln entdecke und versuche mich mit fotografieren abzulenken. Leider fliegen sie davon vor ich Bilder machen kann. Der Kran kommt und mit ihm ein Unwetter es scheint als ist jetzt die Natur auch gegen mich. Als der Kran die erste Landmaschine über mein Motorrad hinweg hebt beginne ich zu filmen, um den Moment nicht zu verpassen in dem das Seil reist und mein Motorrad zerschmettert. Bei der zweiten Maschine hoffe ich bereits, dass das passiert stattdessen legt das Unwetter richtig los. Meine Ausrüstung liegt im Hof als der Platschregen niedergeht und den Dreck spritzen läßt.  Im nachlassenden Regen versuche ich Viktor beim Anbringen der Planen zu helfen. Viktors russische Anweisungen helfen mir wenig und so muss ich aktzeptieren, dass ich ihm zu nichts nütze bin mir bleibt nur im Fahrerhaus abzuwarten bis alle anderen im Regen die Arbeit erledigt haben. Ein erbärmliches Gefühl, welches nur noch von der Tatsache übertroffen wird, dass der LKW am Ende auch noch an diesem Ort im Schlamm feststeckt.

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Am nächsten Tag komme ich um die Mittagszeit in Almaty an Cate ist am Morgen weitergefahren. Sie hatte während meiner Odyssee einen platten Reifen und einen Rahmenbruch gelöst. Es muntert mich unglaublich auf als man mich bei den das man  Freeriders freundlich aufnimmt. Mit Werkstatt, Hostel, Pub und Bikeshop ist alles an einem Ort versammelt was ich in diesem Moment brauche. Meine Pechsträne lässt mich nicht los am ersten Tag nach meiner Ankunft steht die Werkstatt unter Wasser. Nach der verspäteten Demontage ist klar, dass wirklich das Pleullager defekt ist. Ein Austauschmotor hätte eine neue Motornummer und generiert neben höheren Versandkosten Zusatzkosten für das Carnet. Den Motor zu überholen und das Motorrad wieder fein zu machen hatte mich sowieso gereizt also entscheide ich mich dafür. Zum Glück läßt mich Roland von KTM-Müller in Waltenhofen nicht hängen. Er unterstützt mich mit fachlicher Beratung und sendet die benötigten Teile im Expresstempo. Die Wartezeit nutze ich noch um andere Dinge instanzusetzen trotzdem ist es zuviel Zeit. Parallel zu mir hat Cate eine schwere Zeit auf dem Pamir und ich fühle mich veranwortlich weil ich sie ja motiviert hatte. Es tut sehr gut als Valentina und Matteo mich ein wenig ablenken. Als dann Jürgen noch ankommt bin ich wieder auf Kurs. Ein Motorradfahrer der ähnlich denkt und mit dem ich Spaß haben kann. Gemeinsam mit dem Freeriders Team baue ich den Motor wieder zusammen und kann nach zwei Tagen starten. Allen bin ich sehr Dankbar. Das Gefühl das einem in der Not die Menschen immer zur Seite stehen tröstet über den gestrichenen Pamir Highway hinweg.

Parallel hat Cate ihr Pamirabenteuer erfolgreich gemeistert. Neben fahrerischen Herausforderungen musste sie einen defekten Gabelsimmering instandsetzen, erneut einen gebrochenen Rahmen und den Verlust von Handy, Actioncam und Speicherkarten mit den Bildern verkraften.  Es erfüllt mich mit Stolz das sie all diese Schwierigkeiten ohne mich gemeistert hat trotzdem wäre ich lieber für sie da gewesen.

Die Reparatur des Motors ist leider ein Misserfolg. Nach ca. 200km geht der Motor nach einem Rasseln der Kette aus. Der Motor verliert Öl springt aber wieder an. Mitten im Nirgendwo bleibt mir nichts anderes als weiterzufahren, bis zum nächsten Geräusch welches das Ende der Ventile besiegelt. Es dauert lange bis Jarad mit seinem Minibus ankommt er nimmt mich daraufhin mit nach Taraz und sein Bruder Jubaniaz bietet mir für die nächsten zwei Tage Unterkunft. Wieder wir mein Motorrad zum Kinderspielgerät. Seine Tochter Janija und die Nachbarstochter Anella haben eindeutig mehr Spaß daran als ich. Mein Besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Mitarbeitern des Deutschen Kulturzentrum Shambyl und insbesondere Nikolai. Ohne Nikolai hätte ich den Versand meiner Ausrüstung nicht veranlassen können, hätte nicht Konstantin gefunden bei dem das Motorrad geparkt ist und hätte mich beim Zoll auch nicht von der Aussichtslosigkeit auf eine schnelle Lösung überzeugen können.  Visa, Urlaub, Kosten alles spricht gegen einen weiteren Versuch das Motorrad zu reparieren, aber aufgeben und heimfliegen will ich einfach nicht. Nicht für Cate, nicht für sonst irgendwen, nur für mich, meinen Stolz und die Gewissheit für die Zukunft nicht aufgegeben zu haben. Während in all meinen vergangenen Reisen die Herausforderung in der fahrerischen Strapaze lag ist es dieses Mal die emotionale Belastung. Ohne Motorrad fehlt die Freiheit die ich in der Ferne suche, um die permanente Konfrontation mit meiner unglücklichen Geschichte werde ich nicht herumkommen und jeden Tag werde ich Cate auf dem Motorrad davon fahren sehen. Mein erstes Abenteuer als Backpacker kann beginnen.

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